Hakenkreuze und Gewaltvideos

Hakenkreuze und Gewaltvideos

Nazi-Symbole, kinderpornografische Bilder, Gewaltvideos. “Exclusiv im Ersten” ergründet ein “neues” Phänomen und sucht nach Lösungen.

Die ARD-Dokumentation sorgt für Aufmerksamkeit. Was man da ab 22:00 Uhr zu sehen bekommt, ist keine leichte Kost. Viele Eltern, Lehrkräfte und Pädagogen können gar nicht glauben, was da in solch einer Dimension auf den Smartphones der Kinder verteilt wird.

Eltern erkundigen sich bei der Fachstelle Medienbildung über die Verbreitung des Phänomens, pädagogisch Verantwortliche fragen nach möglichen Konzepten, wie dem entgegengetreten werden kann. Anbei die Stellungnahme der Fachstelle Medienbildung (Jürgen Held) zur ARD-Dokumentation Hakenkreuze und Gewaltvideos:

Das Phänomen ist kein neues, hat aber in dieser flächendeckenden, drastischen Form einen neuen Höhepunkt erreicht. Schon 2005 berichtete Panorama über Prügelclips und Mordvideos auf Schülerhandys:

https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2017/Pruegelclips-und-Mordvideos-Der-Horror-auf-Schuelerhandys,pruegelclips100.html

Damals wurde noch über den heimischen Internetanschluss und Bluetooth geteilt. Heute sind die meisten Smartphones mit High-Speed-Internet ausgestattet und überall online. Das bedeutet, dass alles, nahezu kostenneutral durch die Flatrate, geteilt werden kann, ohne dass die Eltern davon etwas mitbekommen. Mit den aktuellen Kommunikations-Apps, wie WhatsApp oder Telegram, werden Gruppen eingerichtet, in denen Inhalte unkontrolliert geteilt werden. Laut der JIM-Studie werden Kinder im Schnitt mit 11 Jahren erstmals mit jugendgefährdenden Inhalten konfrontiert. Ich beobachte eine Tendenz, die darauf hinweist, dass die Kinder immer früher mit solchem Material in Berührung kommen. Immer häufiger verfügen die Kinder schon in der Grundschule über ein Smartphone mit uneingeschränktem Internetanschluss.

In meiner Einschätzung steht an erster Stelle, dass die Kinder und Jugendlichen völlig überfordert sind. Sowohl mit der Technik aber viel mehr noch mit den Möglichkeiten der Anwendung und deren Konsequenzen. Schon in der Grundschule erhalten viele Kinder ein technisches Gerät, mit Möglichkeiten, von denen wir vor einigen Jahren noch nicht mal geträumt hätten. Damit werden sie dann oftmals alleine gelassen. Genau wie in der ARD-Doku gezeigt, erlebe auch ich Elternabende und Eltern-/Schulgespräche. Fassungslose Eltern, die nicht glauben können, was sich auf den Smartphones ihrer Kinder befindet. In einem Beratungsfall ist ein Vater vor mir in Tränen ausgebrochen, so überrascht und schockiert war er von den Inhalten. Eltern und Multiplikatoren sind oftmals selbst überfordert und können sich nur schwer vorstellen, was ihre Kinder untereinander produzieren und teilen. Häufig versuchen die Schulen Vorfälle dieser Art intern zu regeln. Aktuell betreue ich einige Schulen, die nicht genannt werden wollen, um eben ihren Ruf zu wahren. Bei einer Schule bin ich auf die Schulleitung zugegangen, weil ich über Schüler Zugang zu den Gruppen hatte. Durch Projekte und Gespräche mit Kindern und Jugendlichen, weiß ich, dass die meisten Kinder und Jugendliche mit verbotenen, rassistischen, (kinder-/tier-)pornografischen Inhalten und/oder extremer Gewalt konfrontiert werden.

Meiner Ansicht nach, mit Rückblick auf 2005, hat die Politik, Schule und am Ende auch viele Eltern eine Entwicklung verschlafen, indem sie diese ignoriert hat. Kinder brauchen Medienbildung. Sämtliche Angebote in Mannheim, die im Rahmen der Medienbildung, der offenen Kinder- und Jugendarbeit und zusammen mit Kooperationspartnern (Gesundheitsamt, Stadtmedienzentrum, Polizeiprävention, Caritas, pro familia, Fanprojekt u.a.) durchgeführt werden, führen zu einer sichtbaren Verbesserung der Medienkompetenz. Es werden aber nicht genug Kinder erreicht. Medienbildung müsste flächendeckend in der Schule angeboten werden, um die Kinder auf ein Level zu heben, welches zumindest ein Grundwissen abdeckt. Dabei geht es nicht um technische Bedienkompetenzen, sondern um eine soziale Medienkompetenz. Ich bin überzeugt davon, dass Kinder, wenn sie denn informiert werden (auch über die strafrechtliche Relevanz), sich wehren, wenn sie solche Inhalte erhalten. Die Kinder und Jugendlichen schauen sich die Inhalte nicht an, weil sie das gut finden oder dadurch sexuell stimuliert werden, sondern weil es „krass“ ist und sie nicht als „Memme“ dastehen wollen. Wenn ich in meinen Workshops davon erzähle, dass durch das Weiterleiten solcher Inhalte weiterer Bedarf generiert wird und somit solche Bilder und Videos weiter produziert und verteilt werden, beginnt bei den meisten schon ein Umdenken, weil sie spüren, dass das nicht in Ordnung ist, sie Teil dieses hässlichen Phänomens sind. Den Eltern kann ich nur raten, sich damit auseinanderzusetzen, was ihr Kind auf dem Smartphone hat. Die Eltern stehen in besonderer Verantwortung. Letztendlich gehört ihnen das Smartphone, die SIM-Karte und alle Inhalte, die auf dem Smartphone gespeichert sind. Angefangen von den Apps, für die die Kinder oftmals zu jung sind, bis hin zu den rassistischen und (kinder-/tier-)pornografischen Inhalten.

Wer sich vorab einen Eindruck über die ARD-Dokumentation machen möchte, empfehle ich das Interview mit den Autorinnen und die Hintergrundberichte zur Doku. Die kann man sich auch schon vor 22:00 Uhr anschauen:

https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Hakenkreuze-und-Gewaltvideos-die-Medienkompetenz-von-Kindern,gewaltvideos104.html

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